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Ausgabe 22 vom 1. November 2007 (als PDF):

23. Oktober 2007 – Christian Wolf

INFOS 2007 – Vortrag »Das Projekt Infopraktiker – Ein neuer Informatikberuf für schulschwache Jugendliche« in der Schweiz (Wolf)

Dr. C. Thomann

Herr Dr. Christoph Thomann, Abteilungsleiter der Technischen Berufsschule Zürich, erarbeitet zusammen in einer 11-köpfigen Arbeitsgruppe als deren Vorsitzender die Einführung eines neuen Informatikberufs namens »Infopraktiker« in der Schweiz. Der neue Ausbildungsberuf richtet sich in erster Linie an praktisch begabte und kontaktfreudige Jugendliche, die jedoch Schwächen in den schulischen Fächern haben.

Im Rahmen des Vortrages stellte Herr Dr. Thomann zunächst das aktuelle Ausbildungskonzept der modularisierten Informatiklehre in der Schweiz vor (weitere Hinweise hierzu sind in dem Bericht von Thomas Hammersen in der If Fase Ausgabe Nr. 5 nachzulesen). Angesprochen wurden häufige Probleme bei der Informatiklehre im Ausbildungsbetrieb, dass z.B. die übertragenen Aufgaben und Arbeiten oftmals zu einfach und monoton sind. Ein weiterer Anstoß für die Einführung des Berufs Infopraktiker besteht darin, ein Lehrstellenangebot für praktisch begabte Jugendliche mit Lernschwächen aufzubauen. Nach Meinung von Herrn Dr. Thomann leisten diese Jugendlichen oft gute praktische Arbeit und führen auch Tätigkeiten gerne aus, die sich über einen längeren Zeitraum wiederholen. Als Grund wurde hierfür genannt, dass die Jugendlichen sich in ihrer Tätigkeit bestärkt und sinnvoll gebraucht fühlen und somit in dem Beruf aufgehen (oder wie die Schweizer sagen: »den Knopf auftun«).

Mögliche Tätigkeitsfelder:

Mögliche Einsatzorte:

Die Ausbildungsdauer beträgt zwei Jahre und schließt mit dem Eidgenössischen Berufsattest (EBA) ab. Die duale Ausbildung besteht aus einem Schultag pro Woche zuzüglich der überbetrieblichen Kurse.

Um einen neuen Beruf in der Schweiz einzuführen, müssen bestimmte Phasen durchlaufen werden. Das Projekt Infopraktiker hat bereits die notwendigen Analysephasen abgeschlossen (Analyse der Arbeitssituation und Festlegung des Berufsprofils) und befindet sich nun in der mittleren so genannten Vor-Ticketphase. Eine Umfrage bei 200 teilnehmenden Betrieben ergab, dass 24,8% der Betriebe sich vorstellen können, Infopraktiker/innen mit abgeschlossener Ausbildung in Ihrem Betrieb einzusetzen, 29,1% wollen es noch prüfen. Bei der Fragestellung, ob der Betrieb auch selbst einen Infopraktiker-Ausbildungsplatz anbieten würde, ist das Ergebnis ähnlich: 19,3% bejahten die Frage und 29,3% wollen es noch prüfen.

Seit dem Sommer 2007 gibt es insgesamt zwei Pilotklassen: eine Klasse an der Gewerblich-Industriellen Berufschule Bern (GIBB) und eine Klasse an der Wirtschaftsinformatikschule Schweiz (WISS) in Zürich. Bei den beiden Pilotklassen wurden vorsätzlich eher schulschwache Schüler ausgewählt. Die Schüler empfinden die Teilnahme an dem Pilotprojekt selbst als »Glücksfall« und waren schon vor der Ausbildung, wie die Schweizer sagen, »angefressen« von der Informatik.

Auf Nachfrage in einem kurzen persönlichen Gespräch, welche kritischen Stimmen es denn von anderen Personen zu dem Infopraktiker Projekt gibt, nannte Herr Dr. Thomann das Arbeitsplatzangebot sowie die Meinung, dass intellektuelles Wissen ein Muss für den Informatiker sei.

Aktuell hat das Schweizer Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) nun zugestimmt, dass die Pilotklassen in Zürich und Bern weitergeführt und im Anschluss auch neue Klassen wiederum gebildet werden können. Bzgl. der anderen Schweizer Kantone erwartet der Bund eine Evaluation der beiden Pilotklassen.

Für detaillierte Angaben zu den einzelnen Projekten stehen folgende Ansprechpartner zur Verfügung:

Endlich einmal ein Konzept, welches sich an den Menschen orientiert. Ich freue mich über die Energie, die die Arbeitsgruppe in dieses Projekt investiert und hoffe, dass das Schweizer BBT das zukunftsträchtige Projekt unterstützt und die lange Einführungsphase eventuell verkürzt. Denkbar wäre ein ähnlicher Ansatz auch in anderen Ländern wie z.B. Deutschland. Ich vertrete persönlich auch die Meinung, dass schulschwache Jugendliche durchaus ein großes Talent und Interesse für die Informatik mitbringen können. Gerade im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um die Blue Card könnten solche Maßnahmen national sehr fruchtbar sein. Ein persönliches Dankeschön geht an Herrn Dr. Thomann für die Versorgung mit aktuellen Materialien und Hinweisen.

Die hier veröffentlichten Inhalte stellen keine Meinungsäußerungen der Studienseminare Hamm Arnsberg dar.
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